window.dataLayer = window.dataLayer || []; function gtag(){dataLayer.push(arguments);} gtag('js', new Date()); gtag('config', 'G-7GN9HLFQFZ');

Applaus und Bravo für eine gelungene musikalisch-literarische Soirée

Großer Applaus und viele Bravos am Schluss für einen sehr interessanten Abend. Das Trio Florence Hervé (Mitte), Christiane  Lemm (re.)  und Mayo Valvo (li.) überzeugten mit einer wundervollen Vorstellung. (Foto: DFG DU/ sten).

Wer einen lupenreinen Gesangsabend mit originalgetreuer Wiedergabe von Chansons der ikonischen Sängerinnen und Chanson-Poetinnen Juliette Gréco und Barbara erwartet hatte, der musste bei dieser Veranstaltung der Deutsch-Französischen Gesellschaft Duisburg in Kooperation mit der VHS Duisburg schnell umschalten. Es kam anders. Denn was die knapp einhundert Gäste im randvoll gefüllten Veranstaltungssaal der VHS erwartete, war eine musikalisch-literarische Soirée vom Feinsten.

Von Stefan Endell

Mit zahllosen biografischen Texten, feinsinnig präsentiert und erzählt von Florence Hervé, mit französischem Zungenschlag. Mit wunderbar vorgetragenen Zitaten der beiden Protagonistinnen, zuweilen grellen Schlaglichtern aus wilden Lebensläufen, gesprochen von der Düsseldorfer Schauspielerin Christiane Lemm. Und ein wenig garniert mit ebenso fein vorgetragenen musikalischen Zitaten, Chansons der beiden großen Damen des französischen Liedes, gesungen von dem Düsseldorfer Künstler Mayo Velvo.

Die Gréco und Barbara – beide ikonische Vertreterinnen des französischen Chansons –  die eine nur drei Jahre älter als die andere; die eine eng verbunden mit Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und Boris Vian, die „Muse des Existenzialismus“. Die andere – Barbara, bürgerlich Monique Andrée Serf – hatte nichts mit dieser intellektuellen Szene in Jazzkellern und Cafés von Saint-Germain zu tun – sie war rebellisch, flüchtete früh aus ihrem Elternhaus, um eine Karriere als Sängerin zu verfolgen. Sie lebte in ärmlichen Verhältnissen, kämpfte mit finanziellen Problemen.

Feinsinnig und klug spulten die beiden Damen Hervé und Lemm mit ihrem feinen Sänger Velvo jeweils 45 Minuten zunächst das schaukelnde „Auf und Ab“ des wilden Lebens der Gréco – und nach einer Pause – eine knappe Stunde das dramatisch schwere Leben der „Barbara“ vor dem Auge und den Ohren der gefesselten Zuhörer ab.

Wer anfangs noch nicht so sattelfest in den Biografien der beiden Protagonistinnen war, wurde es am Ende dieser sehr gelungenen musikalischen Soiree dann durchaus.

Ja, man wusste ein wenig dies und das von der Gréco, aber dass ihre Mutter und ihre Schwester von den Deutschen 1943 ins KZ Ravensbrück deportiert wurden (und am Ende überlebt haben) und die 16-jährige Juliette ins Gefängnis von Frèsnes bei Paris kam, das wussten dann viele doch nicht mehr so genau. Die jugendliche Juliette kam frei, war komplett mittellos, ohne Familie, voller Angst und Sorge und doch voller Kraft und Freiheitswillen.

Sartre: “Sie hat die schönste traurige Stimme der Welt.“

Nach dem Krieg landete sie im Pariser Viertel Saint-Germain-des-Prés, dem Zentrum der Boheme, Philosophie und Kunst. Sie wurde von Intellektuellen und Künstlern aufgenommen, darunter Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Albert Camus und Boris Vian. Sartre war es, der sie dazu ermutigte, Chansons zu singen, weil sie „die schönste traurige Stimme der Welt“ habe. Sie wurde zur Ikone des Existenzialismus, mit ihrem schwarzen Outfit, ihrer melancholischen Stimme und ihrer tiefgründigen Liedinterpretation.

Volles Haus in der VHS. (Foto: DFG DU/ sten).

In den 1950er und 1960er Jahren wurde sie international bekannt: Sie tourte durch Europa, die USA und Japan. In den USA wurde sie von Stars wie Orson Welles, Marlon Brando und Miles Davis bewundert. Der Jazz-Trompeter Miles Davis war eine ihrer großen Lieben, aber eine ernsthafte Beziehung scheiterte an den gesellschaftlichen Umständen der Zeit.

Und um all dies besser zu verstehen, gab Mayo Velvo einige musikalische Zitate, wie zum Beispiel mit einem ihrer ersten Erfolge “Si tu t’imagines“, einem Gedicht von Raymond Queneau, vertont von Joseph Kosma.

Die Hymne schlechthin für die deutsch-französische Verständigung

Und dann „Barbara“, die ja eigentlich Monika, beziehungsweise Monique hieß.  Sie – die mit „Göttingen“ gewissermaßen die Hymne schlechthin für die deutsch-französische Verständigung geschrieben und gesungen hat – sie ist mit ihrer schweren Kindheit und Jugend im kollektiven Gedächtnis der Deutschen gar nicht fest verwurzelt. An diesem Abend haben wir viel gelernt. Auch ihre jüdische Familie musste 1940 vor den deutschen Besatzern aus Paris fliehen.

Sie lebten als Vertriebene an zahllosen Orten in Südfrankreich und Belgien, oft in großer Armut. Mehr als 20 Mal in nur vier Jahren mussten sie fliehen und sich neu verstecken, um nicht von den deutschen Nazi-Besatzern oder – genauso schlimm wie gefährlich – von französischen Kollaborateuren gefasst und dann in deutschen KZs ermordet zu werden. Mit großen Schwierigkeiten den furchtbaren Krieg überstanden, 1944  endlich befreit – wurde die 14-jährige Monique dann von ihrem eigenen Vater sexuell missbraucht.

An diesem Abend lernen wir: Barbara sprach Jahrzehnte lang nicht darüber, erst in ihrer Autobiografie Il était un piano noir machte sie den Missbrauch öffentlich. Sie berichtete, dass ihr Vater sich ihr gegenüber über Jahre hinweg verging – eine traumatische Erfahrung, die sich in vielen ihrer melancholischen Lieder widerspiegelt.

Eines ihrer berühmtesten Lieder, „Nantes“, erzählt indirekt von ihrer problematischen Vaterfigur. Obwohl sie ihn ablehnte, reiste sie Jahre später nach Nantes, um ihn kurz vor seinem Tod noch einmal zu sehen – doch sie kam zu spät.

Was uns bleibt von Barbara ist vor allem die Hymne „Göttingen“ (obwohl sie gut 300 eigene Lieder verfasst hat). Barbara hat ihren Weg als Sängerin gefunden, aber keinen Lebenspartner, und sie wurde ganz anders als die Gréco ebenso zu einer Ikone des französischen Liedes.

Großer Applaus und viele Bravos am Schluss für einen sehr interessanten Abend. Das Trio Hervé, Lemm und Valvo war der Vorsitzenden der DFG Duisburg, Waltraud Schleser aufgefallen im Düsseldorfer Zakk – wo die drei im Februar 2023 eine literarisch-musikalische Matinee über die französische Dichterin Elsa Triolet abhielten. Florence Hervé stellte sie vor, Christiane Lemm las Texte, und Mayo Velvo sang Chansons von Georges Brassens, Jeanne Moreau und Léo Ferré. Dieser Auftritt in Duisburg, so berichtet Christiane Lemm, sei erst der vierte dieser Art gewesen.

Nun, weitere werden folgen – da sind wir ganz sicher. (sten).

Jetzt teilen, wählen Sie Ihre Plattform!

2025-03-10T22:14:51+01:00

Titel

Nach oben