Von Stefan Endell
Ein Wort, ein Gegenstand, ein Ritual – die Arte-TV-Serie „Karambolage“ erläutert spielerisch und humorvoll die kleinen und großen Unterschiede zwischen Deutschen und Franzosen. Jetzt war mit Claire Doutriaux am vergangenen 28. Oktober 2021 jene französische Dokumentarfilmemacherin zu Gast bei der Deutsch-Französischen Gesellschaft Duisburg (in Kooperation mit der VHS), die das Konzept dieser grandiosen Sendung vor knapp 20 Jahren (im Jahr 2004) aus der Taufe hob.
„Endlich ist sie da“, so begrüßte Waltraud Schleser, die Vorsitzende der DFG Duisburg, den Gast aus Frankreich im ausverkauften Tagungssaal der VHS Duisburg; endlich deshalb, weil die Filmemacherin schon mehrfach als spannender Programmpunkt der Duisburger Akzente 2020 und dann des Jahres 2021 angekündigt und dann der Corona-Pandemie wegen gewissermaßen wieder ausgeladen werden musste.
Jetzt stand sie also da – energiegeladen, freundlich, engagiert – vor ihrem ebenfalls freundlich gespannt zuhörendem Duisburger Fan-Publikum und kam ohne Umschweife schnell zur Sache.
Eine Sache – gewissermaßen der Grundgedanke von Karambolage – seien ihr und ihrem Team ganz wichtig: Sie wollen um Himmels Willen keine pauschalen Aussagen über vermeintlich nationale Verhaltensweisen machen: im Stil wie „den Deutschen ist ihr Geburtstag viel wichtiger als den Franzosen“ , oder „die Deutschen kochen ihre Frühstückseier ganz anders als Franzosen“. Stattdessen erklärt Karambolage seinen Zuschauern den in Frankreich völlig unbekannten deutschen Begriff des „Geburtstagskindes“ (selbst wenn das Kind bereits 90 Jahre alt ist). Oder das Team um Frau Doutriaux kramt aus der deutschen Küche den Eierpiekser hervor, ein Utensil , das in Frankreich völlig unbekannt ist, mit dem man unterschiedliche Herangehensweisen ans Eierkochen erklären kann.
Mit ethnologischem Kennerblick werden deutsche oder französische Sachverhalte aufgegriffen und dem staunenden Nachbarn liebevoll nahe gebracht.
Wer hätte gedacht, dass die Franzosen bei ihrem Taschenmesser den Rost an der Klinge am meisten lieben? Warum baut man in Deutschland einen Schneemann aus drei Kugeln, in Frankreich sind es selbstverständlich nur zwei Kugeln?! Dass man den Ehering links vom Rhein links und rechts vom Rhein rechts trägt – und niemand erklären kann, warum das so ist?
Mit der Perspektive des Fremden wirft “Karambolage” einen neugierigen Blick auf die vertrautesten Ritualhandlungen. Gerade weil sich die deutsche “Gemütlichkeit” und das französische “Savoir vivre” hier nicht zu einem europäischen Lebensgefühl zusammenraufen müssen, wirkt “Karambolage” integrativ (schrieb damals das Grimme-Institut.)
Aber bitte immer witzig, bunt, klug und stets als Trickfilm erklärt. Denn die Macher wollen mit ihrer deutsch-französischen Botschaft ja durchdringen – und dies, so Claire Doutriaux, kann man am besten mit Witz und klugem Humor. Ein Trickfilm sei dafür einfach die beste Form.
Aber Achtung: Eine Minute Trickfilm herzustellen, dauert in der Regal einen ganzen Monat. Wenn man bedenkt, dass Karambolage immer elf bis 12 Minuten lang ist, und außer dem festen Rätsel am Schluss meist drei kleine Stories oder Sachverhalte aufgreift, erhält man eine Ahnung, vom immensen Arbeitsaufwand für diese Sendung. Dieser Zeitaufwand erklärt auch, warum Karambolage nie tagesaktuell mit seinen Themen sein kann – aber doch stets latent aktuell ist und bleibt.
Die 500. Sendung lief im Jahr 2019 – bis heute, so Doutriaux, habe ihr kleines Team gut 1500 Einzelstücke produziert. Sie hätte damals im Jahr 2004 niemals gedacht, dass diese Sendung ein derartiger Dauerlauf werden würde: „Ich dachte nach einem Jahr ist Schluss!“. Aber das deutsche wie das französische Publikum reagiere sehr positiv und intensiv auf diese Sendung, auch die Programm-Hierarchen der Sender liebten Karambolage (frz. für „Zusammenstoß“) und dem Team, sagt Claire Doutriaux , macht es einfach einen Riesenspaß, diese Sendung zu machen. Im übernächsten Jahr – in 2024 – wird die Sendung also ihren 20. Geburtstag feiern. Wir sind ganz sicher, dass das „GEBURTSTAGSKIND“ dann immer noch ein deutsch-französisches Lieblingskind sein wird…
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